Marienrosen. Eine Sammlung ein- oder
mehrstimmiger Lieder (Begleitung ad lib.) zur Verehrung der seligsten
Jungfrau in Kirche und Haus. Von P. Anselm Schubiger. 42. Aufl.
Regensburg [1940], S. 11 (Nr. 8).
DVA: V 2 fol 56
"Es
blüht
der
Blumen
eine" stellt ein populäres
Marienlied dar, das seit seiner
Entstehung im 19. Jahrhundert
bis in die zweite Hälfte des
20. Jahrhunderts im
katholischen Milieu weit verbreitet war. Gedichtet hat
es
der katholische Publizist
Guido Görres (1805–1852).
I. Das achtstrophige Lied – geschrieben
1842 in Rom – ist zunächst als ein Rätsellied gestaltet:
Die Strophen eins bis drei sprechen von
einer wundersamen
Blume, die Betrübte tröstet und tödlich Verwundete rettet. Erst in
der vierten Strophe wird
der Name "Maria" genannt,
obgleich vom Kontext und der
Gedichtüberschrift "Marienblume" ohnehin klar ist, wer gemeint ist. In
den folgenden Strophen wird die Gottesmutter
als Lilie apostrophiert. Bezug genommen wird unter anderem
auf ihre Fleckenlosigkeit, womit
einerseits auf ihre Jungfräulichkeit angespielt
wird, andererseits auf die
Lehre von der
"immaculata conceptio" (Unbefleckte
Empfängnis, zum Dogma erhoben im Jahr 1854).
II. Der Verfasser des
Textes ist
der Publizist Guido Görres,
der einzige Sohn von Joseph
Görres. Den Liedtext
veröffentlichte der Dichter
im Rahmen seiner "Marienlieder",
die zur Feier der Maiandacht
– damals einer modernen
Form der Marienverehrung – bestimmt
waren (Edition
A). Die Zeitgenossen fühlten sich von
der Sammlung angesprochen:
Nach der Erstauflage von 1843
erschienen weitere in den Jahren 1844 und 1853. In
der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts folgten
verschiedene Nachdrucke.
III. Görres' Sammlung ist
vom Geist der katholischen
Romantik bestimmt, die
traditionelle Momente des
Katholizismus (Marienverehrung) mit innovativen (Rezeption
der literarischen und
philosophischen Romantik) verband. So gehört die Blume als Symbol (vgl.
Abb. 1) nicht nur zur altehrwürdigen Marienmetaphorik, sondern
erfuhr im 19. Jahrhundert –
etwa durch Novalis' "blaue Blume" –
eine Renaissance, wobei auch dort
eine Verbindung zwischen
floralem Symbol und dem Weiblichen hergestellt
wurde.
IV. Die Lieder von Guido
Görres wurden schnell vertont.
1845 machte Kaspar Aiblinger (1779–1867),
der bayerische
Hofkapellmeister, den Anfang und legte seine
"Marien-Lieder" für
eine oder
mehrere Singstimmen mit Klavier- oder
Orgelbegleitung vor. Populär wurden diese
jedoch nicht: Dazu waren die Bearbeitungen zu anspruchsvoll und überdies
nicht für einstimmigen (Gemeinde-)Gesang
geeignet. Durchschlagenden Erfolg hatte hingegen die Vertonung von
Anselm Schubiger (1815–1888), der
im Stift Einsiedeln als Kapellmeister tätig war (Edition
B). Im gleichen Jahr wie Aiblinger veröffentlichte er
eine Liedersammlung,
die den Titel "Marienrosen" trug. 1871 erschien schon die 13. Auflage,
1940 gar die zweiundvierzigste. Allerdings blieb auch Schubigers
Vertonung des Görres-Liedes
nicht ohne Konkurrenz. Der
Freiburger Domkapellmeister Johannes
Schweitzer (1831–1882) hat dem Lied gleichfalls
eine Melodie gegeben, die
sich im 19. und 20. Jahrhundert
verbreitet hat (Edition
C). Aufgenommen wurde "Es
blüht
der
Blumen
eine" auch in "weltliche"
Sammlungen, etwa in das vom Breisgauer Sängerbund herausgegebene "Liederbuch
Badischer Sängerbünde" aus dem Jahr 1949.
V. Rezeptionsgeschichtlich
bemerkenswert ist, dass das Lied oft in religiösen Liederbüchern
(Wallfahrtsliederbücher, Liederbücher
für Mädchen und Frauen) mit der
Melodie Schubigers abgedruckt wurde, überraschend selten jedoch in
katholischen Kirchengesangbüchern.
Der Grund hierfür ist
naheliegend: Den Hymnologen des
19. Jahrhunderts war das
Gedicht zu subjektiv und zu lyrisch. Von daher eignete
es sich nicht für die
liturgische Marienverehrung. Im 20. Jahrhundert,
besonders
nach 1950, kühlte die Marienfrömmigkeit schnell ab:
Der Ton wurde sowohl
theologisch als auch poetisch-musikalisch nüchterner, so dass die
Rezeption des einst beliebten
Liedes an ihre Grenzen stieß.
Heute wird das Lied zwar in vielen katholischen Gemeinden noch gesungen
und in Beiheften zum Gesangbuch
abgedruckt, aber seine
Blütezeit dürfte vorbei sein: Es
ist wohl kein Zufall, dass diese
mit dem sogenannten "Marianischen Jahrhundert"
(1854 Dogma der
Immaculata conceptio, 1950 Dogma
der
Assumptio Mariae) zusammenfiel.
MICHAEL FISCHER
(März 2006 / Mai 2007)
Editionen und Referenzwerke
Quellenübersicht
| Ungedruckte Quellen: vergleichsweise wenige Aufzeichnungen aus
mündlicher Überlieferung |
| Gedruckte Quellen: selten in Gebrauchsliederbüchern,
vergleichsweise selten in Kirchengesangbüchern
(Überlieferung hauptsächlich durch religiöse Liederbücher,
Chorbücher und Liedblätter) |
| Bild-Quellen: Original-Illustration in
der Erstveröffentlichung
1843 |
| Tondokumente: etliche Aufnahmen |
Berücksichtigt werden hier primär Quellen, die im Deutschen
Volksliedarchiv (DVA) erschlossen sind. Darüber hinaus wurden auch die Bestände
des Gesangbucharchivs
Mainz sowie (hinsichtlich der
Tonträger) des Deutschen
Musikarchivs Berlin miteinbezogen.
Zitiervorschlag
Michael Fischer: Es
blüht
der
Blumen
eine (2007). In: Populäre und
traditionelle Lieder.
Historisch-kritisches Liederlexikon.
URL: <http://www.liederlexikon.de/lieder/es_blueht_der_blumen_eine/>.
© Deutsches
Volksliedarchiv